Das Rad des Einkaufswagens quietscht. Außerdem klemmt es, weshalb der Wagen wie ein bockiger Ochse im Gang des Supermarktes herummeandert. Ich konnte mir keinen anderen nehmen, es war der Letzte. Es wird also wenig überraschen, dass der Discounter voll ist, wie die Arche-Noah und auch so riecht. Draußen ist es heiß und ein Großteil der Einkäufer haben offenbar beschlossen, ihre wöchentliche Katzenwäsche erst nach dem Besuch im Supermarkt durchzuführen.
Ich versuche, durch die Nase zu atmen, weil ich mir davon eine bessere Filterwirkung verspreche, und schiebe den Ochsen entschlossen zu der Reihe mit den Angeboten. Hoffentlich ist es nicht zu spät.
Ich atme auf. Es ist noch genau ein Exemplar des Gartentischs Arnold, mit Holztischplatte, in zwei Meter Länge vorhanden. Allerdings liegt mein Wunschexemplar unter drei Gartentischen Arnold mit Glastischplatten und zwei Gartentischen Arnold mit eloxiertem Aluminiumtischplatten.
Der Platz zum umschichten ist begrenzt, also wuchte ich den ersten, anscheinend aus Bleiglas gefertigten Tisch in die Senkrechte und lehne ihn gegen den benachbarten Wühltisch. Nachdem ich den zweiten aufgehoben habe, weiß ich, welcher Arnold für das Handling der Tische geeignet ist. Als ich keuchend den dritten an die Stahlgitterkonstruktion lege, bin ich mir sicher, dass mein Beitrag zu der Kakophonie an Gerüchen in der Arche erheblich geworden ist.
Die Aluminiumtische sind leichter, trotzdem rutscht der Wühltisch, an die ich sie gelehnt habe, auf die Gemüsetheke zu.
Ich knurre zähnefletschend eine Frau an, die sich nach meinem Holztisch bückt.
Denkt die Schabracke etwa, ich hätte diesen Berg tonnenschwerer Gehwegplatten aus Spaß aufgehäuft?
Denkt sie nicht. Sie wollte mir beim Aufheben helfen, macht sich aber jetzt beleidigt vom Acker. Was haben sich die Bosse dieses Ladens gedacht, solche menschenentzweienden Sonderangebote zu machen? Das bringt doch nur das Schlechteste im Menschen hervor.
Wenigstens ist den Umstehenden jetzt klar, welches Verhältnis ich zu diesem Tisch habe. Sie machen einen weiten Bogen um mich, während ich ihn auf den Einkaufswagen wuchte.
In der Zwischenzeit ist der Grabbeltisch weitergerutscht und bedrängt einen alten Mann, der akribisch Zwiebelsäcke miteinander vergleicht. Ich schicke einen mitfühlenden Gedanken an Sisyphos und lege, sehr zum Verdruss meiner Wirbelsäule, die Bleiglastische wieder auf den Boden. Dabei befällt mich der hämische Wunsch, jemanden zu sehen, der einen der, jetzt ganz unten liegenden, Aluminiumtische haben will.
Nun stehe ich vor dem nächsten Problem: Der Einkaufswagen mit dem Tisch blockiert die Kreuzung zweier Gänge vollständig. Es staut sich, wie auf dem Kölner Ring am ersten Ferientag.
Also packe ich die Tischkante und schiebe sie so lange herum, bis der Schwertransport einigermaßen strömungsgünstig im Gang steht. Den Griff des Wagens erreiche ich so nicht, aber das allgemeine Gemurre hört auf.
Eine halbe Stunde später fließt der Verkehr wieder normal und ich versuche, durch vorsichtiges Schieben der Tischkante, die Kasse anzusteuern.
Der Einkaufswagen quietscht, das Rad klemmt und der Wagen biegt, der Ausrichtung des haustürgroßen Pakets auf ihm ungeachtet, scharf nach rechts in den Stapel mit saisonalen Süßigkeiten ab. Ich kann gerade noch verhindern, dass der Tisch vom Wagen rutscht. Dabei guillotiniert seine Kante eine Stiege mit Osterhasen.
Ein herbeigeeilter Mitarbeiter des Discounters versucht zu helfen. Allerdings stellt er sich so dämlich an, dass der Wagen samt dem, jetzt wie ein Rotorblatt herumwirbelnden, Tischpakets unkontrolliert herumrollt. Einige Auffahrunfälle unter den Einkaufenden, die ihre Erwerbungen vor der nahenden Katastrophe in Sicherheit bringen wollen, hat es bereits gegeben. Der Gang füllt sich mit Waren und umgekippten Einkaufswagen sowie deren Anschiebern. Schreie von verletzten Fingernägeln, Blut das nach Tomatenketchup schmeckt, Körperteile von Osterhasen. Ein Armageddon.
In einem Impuls von Heldenhaftigkeit krieche ich auf das amoklaufende Gartenmöbel zu. Ich muss es stoppen, bevor es die Kasse überfällt. Den Stapel mit Elektronikangeboten hat es bereits erreicht und etliche Kaffeemaschinen vom Sockel gestürzt. Ich fürchte, der Tisch kommt mich teurer zu stehen, als gedacht.
Es gelingt mir, ein Rad des Wagens zu fassen. Er stoppt, aber die Tafel des Teufels hat noch nicht genug, nimmt Schwung am Laufband der Kasse und bäumt sich für einen finalen Angriff auf. Als sie über mir verharrt, weiß ich, dass mein letztes Stündchen geschlagen hat. Ich schreie nach Mama, rolle und nässe mich ein. Dann rummst es.
Weinend und daumenlutschend werde ich aus dem Berg von Zigarettenschachteln gezogen, der beim Einschlag des Tisches in das Zigarettenlager entstanden ist. Seine Verpackung ist aufgerissen und die Holzplanken haben Kratzer. Den will ich nicht mehr.
Eine neue Heulattacke schüttelt mich.